• Beitrag veröffentlicht:August 23, 2020
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Unser bisheriges Fazit: Reden und zuhören hilft für mehr gegenseitiges Verständnis.

Durch Zuhören wird ein Verstehen untereinander erreicht. Sich etwas von der Seele reden zu können, tut gut. Im Gespräch bleiben bedeutet Veränderung. Im gemeinsamen Austausch werden wechselseitige Zuschreibungen und Vorurteile abgebaut und Berührungsängste verringert. Es wird mehr Respekt für die subjektive Sicht des Anderen entwickelt. Außerdem lassen sich neue Perspektiven und Möglichkeiten zur Stärkung und Genesung finden. Letztendlich entwickelt und etabliert der Trialog, auch auf lange Sicht, eine neue Gesprächskultur im Umgang mit psychischen Krankheiten.

In den bisherigen Veranstaltungen konnten wir uns u.a. über Psychopharmaka, Selbstbestimmung, Frühwarnzeichen, Schlaf, was nach der Klinik kommt, Diagnosen, Kreativität und Wahn, Vertrauen und Misstrauen in einer Krise, Alltagsherausforderungen, Hilfsangebote und die Rolle der Angehörigen austauschen.

Was können Psychopharmaka und was können sie nicht? Wir beleuchteten hier nicht nur die Schattenseiten. Eine junge Frau berichtete von ihrem steinigen Weg, mittlerweile gut eingestellt worden zu sein, aber auch von Nebenwirkungen, die an ihren Nerven nagen. Einigkeit herrschte, dass in den regionalen Kliniken hochdosiert eingestiegen und erst bei objektiver Besserung reduziert wird. Das gemeinsame Fazit: Medikamente nur dann, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Und … So wenig wie möglich, so viel wie nötig.

Zum Thema Selbstbestimmung kristallisierte sich heraus, dass psychisch krank sein nicht bedeutet, dass Betroffene nicht über ihre Handlungsfelder bestimmen können. Das gilt auch dann, wenn jemand unter gesetzlicher Betreuung steht oder als nicht geschäftsfähig gilt. Auch gesetzlich entkoppelte Einschränkungen der Selbstbestimmung wurden diskutiert. Dazu gehört die Bevormundung, die Betroffene durch Fachpersonen erfahren oder die Bevormundung von Angehörigen, insbesondere, wenn deren Vorstellungen konträr zu denen der Fachpersonen stehen.

Eine interessante Diskussion gab es zu Frühwarnzeichen. Diese werden von Betroffenen, Angehörigen und Profis unterschiedlich wahrgenommen. Viele Betroffene kennen ihre ganz persönlichen Frühwarnzeichen sehr gut, nehmen sie als Warnsignal und Anzeichen einer psychischen Überlastung wahr. Zwei Profis gaben an, bei ihren Patienten die Frühwarnzeichen genauso gut oder besser zu erkennen, wie diese selbst.

Das Thema Schlaf zeigte sich als unerschöpflich. Schlafstörungen hatten fast alle Teilnehmer. So konnte auch jeder von eigenen Nöten aber auch von individuellen Strategien gegen „seine“ Schlaflosigkeit berichten. Zudem stellte sich heraus, dass wenig Schlaf nicht gleich Schlafmangel bedeutet.

Gratwanderung zwischen Kreativität und Wahn. Dieses Thema entsprang einem Dialog zwischen Mutter und Tochter auf die Frage, wie Angehörige und Betroffene die Grenze zwischen Produktivität und „Entgleisung“ definieren würden. Insbesondere Angehörige fürchten diese Phasen, deren Ausgang nicht absehbar ist. Wohingegen sich gerade Betroffene in solchen Situationen sehr lebendig erleben.

Auch die Herausforderungen im Alltag waren 2018 ein wichtiges Thema. Schließlich ist der Alltag der Lebensrahmen aller Menschen. Sowohl dessen praktische Bewältigung, die Gestaltung, die Belastungen und Freuden darin, als auch das Scheitern am Alltag bestimmten thematisch unseren Austausch. Alltag bietet Zuverlässigkeit und Stabilität. Andererseits kann er auch als Begrenzung empfunden werden, aus der ein Ausbruch versucht wird.

Zum Thema Hilfsangebote gab es den gemeinsamen Konsens, dass es für Menschen mit psychischen Erkrankungen zahlreiche Hilfs- und Behandlungsangebote gibt. Trotzdem ist es für den Patienten recht schwierig, das für ihn passende Angebot zu finden. Der erste Versuch kann erfolgreich sein, aber auch jahrelange Irrwege sind möglich. Wir haben uns intensiv darüber ausgetauscht, wie der Weg zwischen Suchen und Finden verkürzt werden kann und wo die Teilnehmer schon qualifizierte Beratung, Unterstützung und Hilfe gefunden haben bzw. welche Erfahrungen wo gemacht wurden.

 

Der im Oktober 2017 gegründete Jenaer Trialog ist eine Plattform, auf der sich Betroffene, Angehörige und Profis zu psychischen Erkrankungen austauschen konnten und können. Wir freuen uns auf weitere spannende Diskussionen.

Sylvana Dautz