• Beitrag veröffentlicht:August 23, 2020
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Auch, wenn jemand unter gesetzlicher Betreuung steht oder als nicht geschäftsfähig gilt, so heißt das nicht per se, dass dieser selbstbestimmungsunfähig ist.
Und nur, weil jemand psychisch krank ist, bedeutet das nicht, dass sie oder er nicht über sich bestimmen kann. Das gilt auch für Krisensituationen, in denen Gedankengänge und Entscheidungen von Betroffenen für Außenstehende hin und wieder unvernünftig erscheinen. Der Gesetzgeber hat die Latte in der Aberkennung der Selbstbestimmungsfähigkeit zwar recht hoch, aber nicht unüberwindbar hoch gelegt, und überprüft diese aktuell in Sachen „freiheitsbeschränkende Maßnahmen“ vor dem Bundesverfassungsgericht, nachdem Betroffene Klage eingereicht haben. Denn der Gesetzgeber kennt nur entweder oder, das heißt, dass er nur zwischen Selbstbestimmungsfähig oder Selbstbestimmungsunfähig unterscheidet. Fällt die Entscheidung auf Unfähigkeit, dann zieht dies fast unausweichlich Zwangsmaßnahmen nach sich. Doch es gibt auch die gesetzlich entkoppelte Einschränkung der Selbstbestimmung, die gewöhnliche Bevormundung, die Betroffene durch Angehörige und durch Fachpersonen erfahren. Natürlich gibt es diese Bevormundung auch gegen Angehörige, insbesondere, wenn deren Vorstellungen konträr zu denen der Fachpersonen stehen. Und nicht zuletzt Entscheidungs- und Hoheitsdifferenzen bei den Professionellen, die eine ganz klare vertikale Ausrichtung aufweisen. Und wie ist es im Alltag? Was bedeutet es, wenn Eltern ihre erkrankten Kinder, die längst Erwachsene sind, wieder zu Hause aufnehmen? Was, wenn ich als Betroffene/r in einer betreuten Wohnform lebe? Was, wenn ich allein lebe? Ja selbst im Rahmen eines Klinikaufenthaltes stellt sich die Frage, wer hat hier die Entscheidungshoheit und mit welchen Konsequenzen? Stehe ich auf oder bleibe ich im Bett? So unscheinbar diese Frage scheinen mag, so ist sie doch essentiell. Denn sie bedeutet im Klinikkontext die Teilnahme an den Therapien oder nicht. In einer betreuten Wohnform der Eingliederungshilfe bedeutet diese Frage, bekomme ich ein Leben in einer Gemeinschaft hin und bin ich in der Lage im selbstverantworteten Alltag Termine einzuhalten. Für die Professionellen bedeutet es in beiden Fällen in einem Zwiespalt zu stecken, zwischen Verantwortlichkeit und Reglementierung. Angehörige sind Fürsorgende, sie sind Eltern und Partner. Sie stehen der gesteigerten Herausforderung gegenüber für ihre betroffenen Angehörigen sorgen zu wollen, ohne deren Integrität zu verletzen. Liegen lassen, zum Aufstehen motivieren, nötigen gar? Und was spricht fürs Aufstehen, was dagegen? Eine Veranstaltung, die viele Fragen offen gelassen hat und einer Anknüpfung bedarf.